Naturland-Aquakultur

„Viel Platz zum Ausschwimmen“

Mit den bereits Mitte der 90er Jahre aufgestellten Richtlinien für die ökologische Aquakultur ist Naturland weltweit federführend auf diesem Gebiet. Naturland Geschäftsführer Steffen Reese erläutert die Vorzüge der ökologischen Fischzucht.

Herr Reese, warum sollte man Produkte aus Öko-Aquakultur kaufen?
Durch die wachsende Nachfrage nach Fisch und Meeresfrüchten, sind im Meer bereits viele Bestände zurück gegangen. Jeder dritte Speisefisch stammt daher heute aus Aquakultur. Mit dem rapiden Wachstum der Aquakultur sind aber auch negative Folgen für die Umwelt und den Verbraucher verbunden. Die ökologische Aquakultur gewährleistet hingegen eine nachhaltige Produktionsweise. Lückenlose Kontroll- und Zertifizierungsverfahren geben dem Verbraucher die Gewissheit, dass die anspruchsvollen Richtlinien von den Betrieben auch tatsächlich eingehalten werden.

Welche Vorgaben muss Öko-Lachs erfüllen?
Lachs-Netzgehege, die von Naturland zertifiziert sind, werden ständig vom Meereswasser durchströmt. Auf Grund der geringen Besatzdichte bieten sie den Fischen viel Platz, um sich ihrer Art entsprechend auszuschwimmen. Auf chemische Mittel zur Hemmung des Algenwachstums wird ausdrücklich verzichtet. Damit bleibt die biologische Artenvielfalt erhalten und gesunde, kräftige Fische können heranwachsen.

Wo kommen Öko-Garnelen eigentlich her?
Der Lebensraum von Naturland zertifizierten Garnelen sind großflächige Teiche, in denen genügend Algen und Plankton wachsen. Dadurch muss gar nicht oder nur wenig zugefüttert werden und das natürliche Gleichgewicht des Gewässers bleibt intakt. Die Öko-Garnelen von Naturland kommen unter anderem aus Ecuador. Hier schreiben die Richtlinien zudem die Wiederaufforstung von ehemaligen Mangrovenbeständen vor.

Natürlicher Fang im Netz
Jeder zweite konsumierte Fisch stammt mittlerweile aus der Aquakultur. Doch die konventionellen Methoden haben ihre Schattenseiten. Mit Öko-Futter und viel Bewegungsfreiheit stellen Fische und Meeresfrüchte aus ökologischer Aquakultur eine umwelt- und tiergerechte Alternative dar.

Fisch und Meeresfrüchte werden immer beliebter. Wenig Fett, hochwertiges Eiweiß sowie wichtige Mineralstoffe und Vitamine haben sie als wichtigen Bestandteil in einer gesunden Ernährung etabliert. Der weltweite Ertrag aus Wildfang und Fischzucht erreichte im Jahr 2006 bereits ein Volumen von rund 144 Millionen Tonnen, das sind vier Mal mehr Fische als noch vor 50 Jahren. Angesichts sinkender Bestände in den Weltmeeren gewinnt die kontrollierte Nachzucht in Fischfarmen dabei zunehmend an Bedeutung. Als moderne Form der Fischwirtschaft verzeichnet die Aquakultur enorme Zuwachsraten, birgt aber gleichzeitig eine Vielzahl von Problemen. In der konventionellen Schiene gehen damit häufig ein Raubbau an natürlichen Ressourcen, nicht tiergerechte Haltungsbedingungen sowie der massive Einsatz von Antibiotika und Chemikalien einher.

Bereits Mitte der 90er Jahre entwickelte daher der Öko-Verband Naturland als einer der ersten Zertifizierer spezielle Richtlinien für eine ökologische Aquakultur. Das Naturland-Logo ist das am weitesten verbreitete Öko-Siegel für Fisch aus Aquakultur im deutschen Lebensmittelhandel. Im Januar 2010 wurde zudem ein europäisches Bio-Siegel für Zuchtfisch verabschiedet. Die Anforderungen des EU-Siegels dienen jedoch nur als Mindeststandard und liegen hinsichtlich Besatzdichte und weiteren detaillierten Regelungen deutlich unter den Naturland-Richtlinien. „Außerdem enthalten die Naturland-Richtlinien obligatorische Sozialstandards, bei denen zum Beispiel die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten geprüft wird“, erklärt Dr. Stefan Bergleiter, Aquakulturexperte bei Naturland.

Fische haben in Öko-Aquakultur mehr Platz
Die ersten ökologischen Aquakulturen entstanden von mehr als zehn Jahren als Pilotbetriebe in Europa. Inzwischen werden weltweit, vor allem auch in Südamerika und Südostasien Fische und andere Wassertiere nach ökologischen Richtlinien gezüchtet. Weltweit gibt es inzwischen zwar fast 250 zertifizierte Öko-Aquakulturbetriebe, dennoch macht deren Jahresproduktion von etwa 50.000 Tonnen weniger als ein Prozent am gesamten Fischertrag aus Aquakultur aus. Den größten Anteil daran hat Öko-Lachs mit einem Volumen von rund 16.000 Tonnen, gefolgt von Öko-Garnelen mit etwa 9.000 Tonnen.

In den ökologischen Fischfarmen werden Lachse artgerecht gehalten. Im Vergleich zur konventionellen Zucht wachsen viel weniger Fische auf demselben Raum heran. In geräumigen Netzgehegen, die ständig vom Meerwasser durchströmt werden, leben beispielsweise maximal zehn Kilo Fisch pro tausend Liter Wasser. Die niedrigere Besatzdichte sichert den Tieren ausreichend Bewegungsfreiheit. Gleichzeitig werden sie weniger intensiv gefüttert als ihre konventionellen Kollegen. So erhalten die Lachse Öko-Futter, das z.B. aus Öko-Getreide, Verarbeitungsresten aus nachhaltigem Fischfang, Garnelenschrot und naturbelassenen Hefen sowie Algen besteht. Auf chemische Anti-Fouling-Mittel, die in der konventionellen Zucht gegen Algen und Muschelbewuchs eingesetzt werden, wird explizit verzichtet. Zusätzlich unterstützen die Öko-Betriebe die natürliche Gesundheitsvorsorge durch den Einsatz von „Putzerlippfischen“, die die Tiere von Parasiten befreien.

Mehr Platz und auch mehr Zeit zum Wachsen gewähren die Öko-Betriebe auch in der Garnelenzucht. Hier tummeln sich höchstens 15 Wassertiere pro Quadratmeter in den naturnahen Teichanlagen. Da sie dort ausreichend Algen und Plankton als Nahrung finden, kann die Zufütterung deutlich reduziert werden. In der ökologischen Aquakultur wird generell auf den Einsatz von Gentechnik, Wachstumsförderern, Hormonen und chemischen Zusätzen verzichtet. In der Garnelenzucht sind Antibiotika und konventionelle Tiermedizin verboten. Bei Fischen ist der Einsatz konventioneller Arzneimittel stark eingeschränkt und Rückstandskontrollen sind Pflicht.

Öko-Farmen forsten Mangrovenwälder wieder auf
Auch unter Umweltaspekten kann die ökologische Fischwirtschaft punkten. So rodeten beispielsweise in Ecuador die konventionellen Garnelenzüchter in den letzten Jahrzehnten fast 70 Prozent der Mangrovenwälder für ihre Zuchtanlagen. Die Naturland Partner verpflichten sich hingegen, die Bäume nicht abzuholzen. Die Naturland-Richtlinien schreiben vielmehr eine gezielte Wiederaufforstung vor, um die wichtigen Brutgebiete von Fischen und Krebstieren zu bewahren. Öko-Aquakulturen können somit sogar mithelfen, die ökologische Situation in diesen Gebieten wieder zu verbessern.

So natürlich die Aufzucht, so natürlich ist auch die weitere Verarbeitung. Noch vor Ort werden die fangfrischen Öko-Garnelen geschält, ausgenommen und ohne den Einsatz von Schwefel, Phosphaten und Konservierungsstoffen schonend tiefgefroren. „Die Schwefelung ist besonders für Asthmatiker problematisch, während das Phosphat mehr Wasser im Produkt bindet“, erläutert Bergleiter die Nachteile der konventionellen Verfahren. Durch den Verzicht auf solche Zusatzstoffe können Öko-Meerestiere dann auch bei Qualitätstests immer wieder mit ihrem guten Geschmack und ihrer festen Konsistenz punkten.