Mit vereinten Gärten zu widerstandsfähigen Bio-Salatsorten

Züchterin Charlotte Aichholz im Interview

Neue Sorten zu entwickeln ist ein aufwändiger Prozess. Pflanzenzüchterin Charlotte Aichholz widmet sich schon seit mehreren Jahren der Züchtung von mehltauresistenten Salatsorten. Die Züchtungsarbeit geht sie zusammen mit Sativa und der Stiftung ProSpeciRara etwas anders als gewöhnlich an. Beim Mitmachprojekt „Mit vereinten Gärten“ können (Hobby)Gärtner*innen in ihrem eigenen Gart zur ökologischen Salatzüchtung beitragen.

Mit Charlotte Aichholz haben wir über das Projekt und erste Erfolge gesprochen.

Wann und mit welchem Ausgangsmaterial hat Ihre Züchtungsarbeit zu mehltauresistenten Salatsorten begonnen?

Begonnen hat das Züchtungsprojekt 2014 mit den ersten Kreuzungen. Ein Jahr später haben wir sortiert, welche Sorten als Kreuzungen funktionieren und welche nicht. Ich habe ziemlich viele Salatsorten gesichtet, um zu sehen, was es so gibt. Richtig begonnen hat die Züchtungsarbeit dann erst 2016, weil wir zu diesem Zeitpunkt die ersten Züchtungsplots mit Nachkommen aus unseren Kreuzungen am Feld hatten und die ersten Salate selektiert haben. Seitdem werden jährlich die besten Salate selektiert.

Als Ausgansmaterial habe ich sehr viele alte Sorten verwendet. So alt sind die aber gar nicht, denn Salat an sich gibt es erst seit etwa hundert Jahren als Kultur, vorher hat man Salat gar nicht so gegessen. Ich habe meine Arbeit also mit Sorten aus den 80ern, 90ern und Traditionssorten aufgenommen. Der Fokus auf die Mehltautoleranz hat sich erst mit dem Salatprojekt ergeben, dazu hatten wir die Idee 2018. Mehltau spielt als Krankheit die größte Rolle. Da sie von Jahr zu Jahr und Ort zu Ort schwankt, eignet sie sich sehr gut für ein partizipatives Projekt, das wollten wir gerne ausprobieren.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie bei der Bio-Salatzüchtung? (Speziell Salat und Ökozüchtung)

Ein K.O.-Kriterium ist Brand, also Innen- und Außenbrand. Eine Sorte, die dafür anfällig ist, wird von den Anbauern nicht angebaut. Besonders beliebt bei Verbrauchern sind außerdem schossfeste Salate, also Salate die nicht gleich zu blühen beginnen. Doch wenn eine Sorte schossresistent ist, ist sie schwieriger in der Saatgutgewinnung, deshalb müssen wir bei diesem Merkmal die Waage finden.

Optische Merkmale spielen bei der Züchtung auch eine große Rolle. Die Blattdicke ist beispielsweise wichtig für die Haltbarkeit des Salats. Salate mit dickeren Blättern sind länger haltbar. Wir suchen im Bio-Anbau nach einer Balance aus guter Haltbarkeit und Geschmack. Sonst tendieren die Salate dazu, ledrige und feste Blätter zu haben.

Neben diesen Merkmalen spielen noch viele weitere Kriterien eine Rolle. Da wir ausschließlich auf Bioflächen selektieren möchten wir die Salate speziell auf die Bedürfnisse des Bioanbaus anpassen. Dazu gehört auch Robustheit und Stabilität unter Stressbedingungen.

Wie wichtig ist das Projekt für die Ökozüchtung? Gibt es vergleichbare Projekte?

Vergleichbare Projekte in Deutschland und der Schweiz sind/waren das Klimafenster der GZPK oder „1000 Gärten“. Im globalen Süden gibt es noch einige Projekte mehr. Bei Salat sind wir, denke ich, die einzigen mit partizipativem Ansatz.

Für die Bio-Züchtung ist es toll, neue Ansätze auszuprobieren und die sozialen Komponenten in das Projekt hineinzubringen. Denn die Meinung von tausenden von Leuten fließt in die Selektion mit ein. Verbraucher können also letztendlich mitbestimmen, welche Salatsorte ihnen besonders gut schmeckt und welche Sorte weiterselektiert wird. Mit dem Projekt haben wir die Chance, Ökozüchtung bekannter zu machen und können den Leuten vermitteln, wie viel Züchtungsarbeit hinter einer Sorte steckt.

Welche Vorteile und Herausforderungen bringen Gemeinschaftsprojekte mit sich?

Ein großer Vorteil sind die verschiedenen Umwelten, in denen die Sorten angebaut werden. Wir können untersuchen, wie sich die Sorte bei trockenen oder nassen Bedingungen verhält. Wie die Sorte wächst, wenn sie zu tief, im Schatten gepflanzt oder gemulcht wird. All diese Facetten fließen in die Bewertung der Sorte mit ein und zeichnen ein umfangreiches Bild. Jede Salatsaison bringt uns wertvolle Erkenntnisse.

Eine Herausforderung zu Beginn war auf alle Fälle, das Netzwerk aufzubauen. Der Erfolg des Projekts hängt daran, dass wir möglichst viele Leute motivieren, Salate anzubauen und sie uns Rückmeldung geben. D.h. wir müssen die Leute auch während der Saison betreuen und ihnen zur Seite stehen. Unser Forum gibt die Möglichkeit, dass sich die Gärtner*innen untereinander austauschen. Vor allem wenn sie recht nah beieinander wohnen, können sie über ähnliche Erfahrungen und Probleme sprechen. Mit ca. 40 % Rückmeldungsquote bekommen wir sehr viele Daten, die wir für unsere Züchtungsarbeit auswerten. Aber 40 % heißt im Umkehrschluss, dass wir vor der Saison viel vorbereiten, was dann einfach verpufft.

Konnten schon erste Erfolge in der Salatzüchtung erreicht werden?

Letztes Jahr haben wir drei Praxissorten im Anbau getestet. Zwei davon sind rausgeflogen, aber die eine Sorte wird in diesem Jahr noch weiter getestet. Wenn die Rückmeldung in diesem Jahr passt, können wir die Sorte Ende diesen Jahres anmelden.

Ist die Züchtungsarbeit irgendwann fertig oder werden wegen der Anpassungsfähigkeit immer wieder neue Sorten benötigt?

Ein Ende gibt es bei der Züchtung nicht, denn die Sorten können immer noch besser werden. Züchtungsarbeit ist ein Prozess, der schon seit Ewigkeiten von den Menschen gemacht wird und immer weitergeht. Die Sorten müssen außerdem immer wieder an neue Klimabedingungen angepasst werden und natürlich auch an die Vorlieben der Verbraucher, Gärtner und der Märkte.

Gibt es den „perfekten Salat“? Wenn ja, wie sieht dieser aus bzw. was macht ihn aus?

Der „perfekte“ Salat müsste möglichst robust und resilient sein. Die Sorte soll mehltautolerant und virusresistent sein. Mein perfekter Salat ist ziemlich knackig, hat aber kein ledriges Blatt. Er hat eine möglichst intensive Farbe und sollte auf jeden Fall nach was schmecken. Leicht zu putzen, einfach zu schneiden… es gibt viele Merkmale für meinen perfekten Salat. Ich esse am liebsten Batavia Salate und möglichst knackige, grüne Salate, die innen noch einen kleinen Kopf haben, aber auch zarte Blätter.

Wir haben uns auch schon selbst an den Anbau von Salaten gewagt und am Projekt teilgenommen. Lesen Sie in nach, wie es uns während der Salatsaison ergangen ist.

Wenn es Ihnen jetzt in den Fingern kribbelt, melden Sie sich gleich für die kommende Salatsaison an.